25. Februar 2018
ein tolles Rennen im Land des Lächelns
Heute ist es endlich soweit: Tokyo Marathon! Vor diesem Marathon Projekt hatte ich ordentlich Respekt. Denn einen Marathon in der Kalenderwoche acht zu laufen, ist extrem früh, was eine Vorbereitung im tiefsten Winter nötig macht. Ich bin auch noch nie weiter zum Austragungsort geflogen. Die Vorbereitung verlief bei mir ganz gut, da hatte ich mit einem sehr milden Januar sehr viel Glück. Die lange Flugreise hatte ich auch gut kompensiert, da zahlte sich die frühe Anreise aus. Es zwickte auch nirgendwo und so war ich zuversichtlich, dass ich meinen 19. Marathon auch wieder unter der magischen Dreistundenmarke finishen könnte. Ich traue mir eine Zielzeit um die 2:55 Stunden zu.
Am Renntag heisst es immer früh aufstehen, mein Wecker klingelt um 5:45 Uhr. Ich habe sehr gut geschlafen und fühle mich auch gut. Zum Frühstück gibt es nicht viel und auf den Kaffee verzichte ich an diesem Morgen. Das hat auch einen Grund, denn der Koffein Shot soll beim Rennen auch richtig wirken.
Um 6:45 Uhr treffen Christoph und ich mit der restlichen Läufergruppe von interair zusammen. Wir nehmen gemeinsam die Oedo-Line der TOEI-Subway und kommen nach einigen Stationen zum Tokyo Metropolitan Government Building. Hier ist der Startbereich eingerichtet und es ist alles bestens organisiert. Wo in Berlin 6.000 Volunteers helfen, sind es in Tokyo sagenhafte 24.000 freiwillige Helfer. Man muss sich vorstellen, für die Volunteers gibt es eine Lotterie!
Als ich eine Durchsage höre, denke ich mir, jetzt kann uns nur noch ein Erdbeben stoppen. Auf englisch wird erklärt, dass man seinen Lauf bei einem Erdbeben stoppen muss und der Marathon abgebrochen wird. Der Zugang zu Block B ist gut beschildert. Die Helfer mit "ENGLISH" auf der Cap, sprechen die englische Sprache. Das ist in Japan nicht selbstverständlich, wie ich in den vergangenen Tagen selbst erlebt habe. Im Block treffe ich noch auf zwei Bayern aus unserer Reisegruppe. Die beiden tragen ein originelles Trikot, blau-weiß und im Lederhosen Style.
Der Startschuss erfolgt natürlich pünktlich um 9:10 Uhr. Aus Druckluft-Kanonen werden kleine Papierherzen in die Luft geschossen. Ich mache auch jede Wette, die Schnipsel sind eine Stunde später bestimmt schon wieder aufgeräumt. Der Startbereich und auch der erste Kilometer sind recht eng. Ich komme erst 72 Sekunden nach dem Startschuss über den Strich. Gleich auf den ersten Metern kommt ein Läufer von rechts im Tiefflug angeschossen und stürzt hart auf den Boden. Ich bin total konzentriert und laufe teileise auf dem hohen Bordstein. Ich muss aber Acht geben, dass ich nicht mit den Helfern mit den Mülltüten kollidiere, denn die stehen nicht hinter der Absperrung. Daher ist der erste Kilometer etwas zu langsam, kann das aber auf den ersten fünf Kilometer gut aufholen, weil hier die Strecke auch ein angenehmes Gefälle hat. Wie immer habe ich meine Garmin auf einen 5er Split eingestellt. Die Uhr piept nach 20:16 Minuten nach den ersten 5 Kilometern.
Ich merke auch am 15 km Split (20:44 Minuten), dass meine GPS Uhr erhebliche Abweichungen zu der Streckenmarkierung hat. Das liegt einfach an den vielen Hochhäusern, die das GPS Signal negativ beeinflussen. Am Ende meldet meine Garmin 43,1 Kilometer. Da darf man dann der angezeigten Pace nicht trauen, sondern muß sich an die Zwischenzeiten halten.
Als wir etwa bei Kilometer 17 sind, kommt uns auf der gegenüberliegenden Straßenseite die Spitzengruppe entgegen. Wahnsinn, was die für ein Tempo laufen.
Wir laufen jetzt entlang des Flusses Sumida, bei Kilometer 16 überquerten wir diesen zum ersten Mal und gelangten so nach Sumida City, den Stadtteil, der zwischen den großen Flüssen Sumida und Arakawa liegt. Hier befindet sich der Tokyo Skytree, der Fernsehturm ist das nach dem Burj Khalifa in Dubai zweithöchste Gebäude der Erde. Das imposante Bauwerk war auch ab und an zu sehen, bei der Überquerung, auf der Kuramae-bashi Brücke erblickte man es links. Die kleinen Anstiege an den Brücken kann ich gut wegdrücken, alles noch kein Problem. Am Yokoamicho Park, der Heimat des Sumo-Ringsports, ging es dann nach einer scharfen Linkskurve erstmal wieder Richtung Süden.
Der Yokamicho Park erinnert mit entsprechenden Denkmälern und Gedenkstätten an zwei große Tragödien in der Stadtgeschichte Tokyos: An das große Kanto-Erdbeben von 1923 und an die Bombardierung Tokyos am 9./10. März 1945.
Kurz nach der 20 Kilometermarke ging es wieder scharf ums Eck, ein weiterer Wendepunkt war erreicht und ab jetzt verläuft die Strecke wieder Richtung Norden. Ganz in der Nähe befindet sich der Tomioka-Hachiman-Schrein, der größte Schrein zu Ehren des Gottes Hachiman, der sowohl im Shintoismus und im japanischen Buddhismus, den beiden größten Religionen Japans, verehrt wird. Wir passieren die Halbmarathonmarke, ich kann für mich eine Zwischenzeit von 1:26:44 Stunden stoppen. Ab hier müssen wir wieder etwas Rückenwind haben, denn es läuft ganz hervorragend und bei Kilometer 25 schaffe ich mit 20:11 Minuten meinen schnellsten Split. Jetzt nehme ich mein erstes Gel, das ich bisher mit einer Sicherheitsnadel am Hosenbund fixiert hatte. Dazu noch ein paar Schluck aus einem Wasserbecher, der von den vielen Helfern gereicht wird. Bei Kilometer 29 steht meine Frau und ich lass es mir nicht nehmen, ganz kurz zu stoppen und ihr ein Küsschen zu geben. Die kleine Lücke zu meinem englischen Freund kann ich mühelos wieder zulaufen.
Wir hatten gerade den langen Teil der Strecke mit Begegnungsverkehr verlassen und liefen nun durch den Stadtteil Ginza, der Apple-Store war in Sichtweite. Wir kamen nun in die Nähe eines Bahnhofs, noch eine Rechtskurve mitten in Ginza, und dann wartete auch schon die 30 Kilometermarke. Auch dieser Split ist mit 20:11 Minuten noch fast bei einer 4er Pace.
Nun geht es links weg und wir kommen wieder auf eine breite Straße mit Begegnungsverkehr. Auf der Gegenspur laufen die richtig Schnellen, so mit Zielzeit um die 2:15 Stunden. Eigentlich ist das Ziel ganz nah, aber wir müssen noch eine elf Kilometer Schleife absolvieren. Hier fällt mir auch auf, dass der Belag der Straßen dem einer Tartanbahn sehr nahe kommt. Das ist dem Flüsterasphalt zu verdanken, der hier in der Metropole verbaut ist. Es geht schnurgerade in südliche Richtung, bei Kilometer 33 sind wir dem Tokyo Tower, dem falschen Eifel Turm, sehr nahe. Ich sehne die Wende herbei, aber es dauert noch bis Kilometer 36. Bis zu diesem Wendepunkt läuft es bei mir auch noch prima und der Split bei der 35er K-Marke liegt bei 20:14 Minuten.
Nach der Wende hatten wir dann Gegenwind, das erklärt auch noch das sehr gute Tempo vor der Wende. Meine Beine werden jetzt plötzlich schwerer und ich muss bei meinem englischen Freund abreißen lassen. Ich gebe ihm noch ein „go ahead“ mit und press mir dann das zweite Powergel in den Mund. Der Turbo zündet deshalb auch nicht mehr, aber ich kann das Tempo noch einigermaßen halten. Für den Abschnitt bis Kilometer 40 benötige ich 21:34 Minuten und verliere hier also eine starke Minute.
Ungefähr bei km 41 kommen wir am Hibiya-Park vorbei, hier wartet dann meine Frau auf mich in der Reunion Zone. Der letzte Kilometer war besonders schön. Wir liefen durch eine enge Gasse, eine Art Fussgängerzone, an deren Ende nach einer Linkskurve das Ziel direkt vor uns lag. Die Zielgerade darf nur vom Kaiser befahren werden und ist normalerweise abgesperrt. Direkt nach dem Ziel hatte man einen schönen Blick in Richtung Kaiserpalast. Also schön respektvoll weitergehen und die ersten Glückwünsche der vielen Helfer entgegen nehmen. Der Engländer hat extra auf mich gewartet und wir gratulieren uns gegenseitig. Derrick hat mir noch zwei Minuten abgenommen.
Dann kam die Medaille! Wir wurden weitergeleitet in den Hibiya-Park, dort bekam man seinen Kleiderbeutel zurück. Noch schnelle ein Fußbad genommen und die Zielzeit auf eine Schild geschrieben und ein Foto gemacht. Bis ich dann endlich meine Frau gefunden hatte, hatte ich bestimmt nochmal 2 km zurückgelegt. Ich freue mich sehr und bin mit meiner Leistung total zufrieden. Meine Nettozeit beträgt 2:54:25 Stunden, Platz 1082, Platz 187 in der Altersklasse. In der nationalen Wertung komme ich als fünfter Deutscher ins Ziel, insgesamt finishen an diesem Tag 153 Deutsche.