03. November 2013

mit einem Wahnsinnspublikum durch den Big Apple

Heute ist es endlich soweit, ich kann beim New York City Marathon teilnehmen. Das habe ich mir, einschließlich sieben Tage New York Stadterkundung, zu meinem 40. Geburtstag selbst geschenkt. Mein Wecker klingelt schon um 5 Uhr, denn ich muss die Fähre nach Staten Island um 6 Uhr nehmen. Mein Frühstück beschränkt sich auf einen Muffin und etwas Mineralwasser, noch ein Küsschen von meiner Frau zum Abschied und dann laufe ich zur U-Bahn Station am Columbus Circle. Ich komme kurz nach 6 an den South Ferries an. Wie es hier aussieht und wo ich einsteigen muss, habe ich vor Tagen schon beim Sightseeing erkundet. Die Fähre ist proppenvoll mit Startern der unterschiedlichsten Nationen. Ich komme mit einem Franzosen ins Gespräch, was die 30-minütige Überfahrt kurzweilig macht. Die Fähre wird von einem Boot der Küstenwache mit einem MG-Schützen eskortiert. Die Amis nehmen die Sicherheitsvorkehrungen ernst.
Auf Staten Island angekommen, strömen die Läufer zu den Bussen. Alles läuft wie am Schnürchen und ich nehme im Bus neben einem Belgier Platz. Wir reden ein wenig und kommen dann an der Fort Wadsworth an. Dort gibt es nochmals einen Sicherheitscheck. Hier werden den Teilnehmern auch Decken und Pappkartons abgenommen, was bei vielen auf Unverständnis stößt. Mich betrifft das nicht, weil ich alte Klamotten zum Warmhalten anhabe, die ich später im Startbereich zurücklassen werde. Ich darf in den blauen Bereich eintreten, wo es auch Kaffee und Bagels gibt. Es werden auch noch Mützen verteilt, da nehme ich mir gleich eine. Jetzt ist es kurz nach 7 Uhr und die erste Welle wird um 9.40 Uhr gestartet, also weiterhin warten und irgendwie die Zeit vertreiben. Ich erkenne einen Läufer an der deutschen Flagge und Andreas bemalt mich mit unseren Farben im Gesicht. Heute werde ich im DLV-Trikot laufen, denn ich möchte als Deutscher erkannt werden. Des Weiteren werde ich einen Fahrradhelm tragen, auf dem eine Video Camera montiert ist. Endlich wird der blaue Korridor geöffnet und um 8.55 Uhr werden wir an den Beginn der Verrazano-Narrows Bridge geführt. Um 9.10 Uhr starten etwa zwei Dutzend Elite Damen, darunter auch „Mocki“ Sabrina Mockenhaupt. Der Startschuss für die Wave 1 folgt dann um 9.40. Ich komme gut weg, die Menge unten im Startbereich jubelt und grölt uns zu. Die Brücke ist fast 2 Meilen lang und hat einen ordentlichen Buckel. Ich nehme die untere Fahrbahn der Brücke gar nicht wahr, dort sind gleichzeitig weitere Läufer gestartet. Wir kommen im Stadtteil Brooklyn wieder an Land, wo gleich ab dem ersten Meter eine unfassbare Stimmung herrscht. Die Straßen sind von Menschenmassen gesäumt, es ist laut und die Bands haben einen sehr lauten Sound. Wir laufen ewig auf der 4th Avenue, die sich schnurgerade durch Brooklyn zieht. Bei Milestone 8 biegen wir scharf rechts ab, die Straße wird schmäler, die Zuschauer sind noch näher und natürlich lauter. Kinder strecken ihre Hände aus und wollen abgeklatscht werden. Plötzlich wird es ganz still, wir sind im jüdischen Viertel Williamsburg angekommen. Die jüdischen Bewohner sind traditionell gekleidet und keiner von ihnen interessiert sich für unser Treiben. Die paar Leute, die uns hier zurufeNY_Willis_Bridgen, sind Touristen. Von hier hat man einen atemberaubenden Blick auf die Skyline von Manhatten. Es geht über die Pulaski Bridge und wir verlassen Brooklyn und kommen nach Queens. Kurz vor der Brücke habe ich die Halbmarathonmarke 13.1 Miles nach 1:24:41 Stunde passiert. Der Abschnitt in Queens ist nur zwei Meilen lang und es muss ein paar mal abgebogen werden, bevor wir auf die nächste Brücke stoßen. Um nach Manhatten zu gelangen, müssen wir die Queensboro Bridge passieren, die auch Roosevelt Island überspannt. Die Brücke kostet Körner, denn hier sind wieder einige Höhenmeter versteckt. In einer scharfen Linkskurve biegen wir in Manhatten auf die First Avenue ein. Die Zuschauer toben regelrecht, als wir von der Brücke runter laufen, Gänsehautfeeling pur! Ich höre immer wieder "Doitschläänd" Zurufe, die ich mit einer Beckerfaust beantworte. Die erste Straße geht schnurgerade, leicht ansteigend in Richtung Norden. Hier bläst uns der Nordwind wieder nett entgegen. Jetzt muss ich nach guten zwei Stunden den Akku an der Camera wechseln. Ich werde den ganzen Marathon aufnehmen und dann einen Clip zusammen schneiden. Brücke Nummero vier naht, es ist die Willis Avenue Bridge. Runnersworld Fotograf Norbert Wilhelmi fotografiert mich. Es ist doch gut, wenn man als Deutscher zu erkennen ist. Nun sind wir in The Bronx angekommen. Hier haben die Zuschauer überwiegend schwarze Hautfarbe und machen eine tolle Stimmung. Die Durchquerung von der Bronx ist nur eine gute Meile lang, dann treffen wir auf die letzte Brücke. Dieses Schmuckstück heißt Madison Avenue Bridge, ist nur knappe 600 Meter lang und ohne Buckel, wie angenehm. Der Kurs geht nun durch Harlem in südlicher Richtung. Wer jetzt glaubt, dass es auf der 5th Avenue bergab geht, weil es ja zuvor auf der Ersten hoch ging, irrt gewaltig. Der Name Manhattans (ursprünglich Manna-hata) stammt aus einer Indianersprache und bedeutet etwa „hügeliges Land“. Es geht stetig leicht bergauf, die Zuschauer rufen jetzt immer wieder "good job". Auf Höhe der 90. Straße biegen wir in den Central Park ein. Hier rufen mir ein paar Leute "saftey first" entgegen, eine Anspielung auf meinen Helm. Damit fällt man sogar beim Marathon in New York City auf. Die wellige Strecke im Park kenne ich von meinen morgendlichen Läufen bereits. Am südlichen Ende des Parks geht es wieder auf die Straße und meine Frau hat sich kurz vor dem Columbus Circle positioniert. Ich höre sie meinen Namen rufen und kann ihr noch winken, für ein Küsschen habe ich leider keine Zeit, ich will unter 3 Stunden finishen. Nun kommt ein Rechtsschwenk, wir biegen wieder in den Park ein, ein Hubschrauber kreist ganz tief über unseren Köpfen und die letzten 200 yards sind zu laufen. Ich reiße die Arme hoch und finishe in 2:57:52 Stunden. Ich wollte eigentlich etwas schneller sein, bin aber sehr zufrieden, weil die Strecke doch recht anspruchsvoll ist. Meine neue Garmin Uhr zeigt 410 Meter im Aufstieg an, für einen Citymarathon ganz enorm. Ich bekomme die Medaille umgehängt und plötzlich steht Mary Wittenberg, COE dieser Veranstaltung, vor mir. Sie gratuliert gerade den Läufern, auch mir. Ich bin ganz von den Socken, sie im Ziel anzutreffen. Unter über 50.000 Finishern belege ich den 589. Platz (101. AK) und von insgesamt 1871 Deutschen werde ich 20. Deutscher im Ziel.

NY_Medaille

www.42komma2.de -Faszination Marathon-

Chicago 2016

Chicago Marathon 2016 (Zeit 2:49:19)

Foto: Isaak Papadopoulos

Zitate


„Ich habe keine Ahnung, wie ein kreativer Prozess funktioniert.
Klar ist mir nur: Er startet immer dann, wenn ich laufe.“

Robert A. Caro (Pulitzer-Preisträger 1975 und 2003)