30. September 2012

als 19. Deutscher im Ziel am Brandenburger Tor

Es waren nur zwei Wochen Zeit, um nach dem Rennen in Ulm wieder fit zu werden. Somit musste ich eine Blitzregeneration machen. Dazu habe ich fast eine Woche lang in der Kompressionshose geschlafen, war bei der Massage und in der Sauna. Am Montag machte ich einen ersten Belastungstest mit einer Pace von 4:08 bei 76 % bpm, das fühlte sich schon mal gut an. Am Mittwoch nach den 4x1000 Intervallen im Renntempo habe ich beschlossen am Sonntag in Berlin nochmals auf eine Bestzeit anzugreifen.
Ich bin mit einer Reisegruppe aus Laupheim mit dem Bus nach Berlin gefahren. Meine Frau mit Tochter und meine Schwägerin haben mich als Fanclub begleitet. Die Anreise am Freitag hat sich ganz schön gezogen und wir sind erst kurz nach Mitternacht am Generator Hostel angekommen. Für Samstagmorgen habe ich mich mit den Jungs aus dem Allgäu, Steffen und Uwe, zum Frühstückslauf verabredet. Es war schön, nach 2008 die Hauptstadt wieder mit den Laufschuhen zu betreten. Nach dem Frühstück ließen wir uns vom Bus an den alten Flughafen Tempelhof bringen, um dort unsere Startunterlagen abzuholen. Alles perfekt organisiert und die Starnummer ist im Nu abgeholt. Auf der Messe bitte ich Herbert Steffny um ein Autogramm. Er malt mir noch einen Schmetterling auf die Startnummer, der würde mich morgen beflügeln, so Herbert. Wir essen noch Pasta und meine Tochter fährt mit den ferngesteuerten Autos durch den BMW Parkour. Zurück im Hostel dann der Schock, mein Mika Timing Chip ist verschwunden. Ich muss wieder zur Messe und einen Chip besorgen. Ich treffe unseren Reiseleiter Christoph im Treppenhaus und er berichtet mir, dass mein Name ausgerufen wurde. Mir fällt ein Stein vom Herzen, der Chip ist bestimmt gefunden worden. Und so war es auch, am Infostand bekomme ich meinen eigenen Chip zurück, Glück gehabt! Jetzt hetze ich in die Mitte, wo meine Familie wartet, denn wir wollen Madame Tussauds besuchen. Danach geht es mit der U-Bahn nach Kreuzberg ins +39, wo wir uns mit Nils treffen. Nils haben wir auf der Seiser Alm kennen gelernt. Wir haben einen netten Abend und ich muss mal wieder sämtliche Reste verputzen.
Ich stehe um 6.45 Uhr relativ spät auf, aber ich möchte den Rest auf der Stube nicht so früh wecken. Mein traditionelles Marathonfrühstück: Magerquark mit Honig und zwei Eier, dazu noch ein Glas Wasser mit viel Salz, fertig. Ich teile meine Frau noch zur Schnitzeljagd ein, sie soll mir bei Kilometer 21 und 32 eine Getränkeflasche reichen.Berlin_Marathon_1

Um 8.20 Uhr sind wir am Kanzleramt um das Mannschaftsfoto zu schießen, es reicht nur für ein schnelles Hallo. Wir sind spät dran, die Wege sind weit, das weiß ich noch von vor vier Jahren. Umziehen, Kleiderbeutel abgeben und Abmarsch zum Startblock. Für die Strecke brauchen wir fast 20 Minuten und um 8.50 stehen wir in Startblock B. Olympiasieger Harting darf den Startschuss geben, Peng! Steffen und ich laufen los, sehr kontrolliert, wir sind ja keine Anfänger mehr. Da treffen wir auch schon Micki Krause und singen „Schatzi schenk mir ein Foto“. Auf den ersten fünf Kilometern spüre ich meine rechte Leiste, ein Überbleibsel vom Einstein-Marathon, ganz schnell was anderes denken. Nach 37:24 Minuten die 10 km erreicht, Steffen und ich harmonieren super, alles gut, an die Leiste denke ich nicht mehr. Es rollte so richtig schön, ohne großen Kraftaufwand. In Kreuzberg in der Yorckstraße so bei km 21 suche ich meine Frau. Ich scanne den rechten Straßenrand ab, unheimlich viele Zuschauer, aber keine Simone zu sehen. Das hat schon mal nicht geklappt, sag ich zu Steffen, der mich kaum wegen dem Lärm versteht. Halbmarathonmarke nach 1:19:01 erreicht, das sind zwei Minuten Puffer, aber es ist noch weit und das wissen wir. Dann wird einige Male mein Name gerufen, hier stehen Leute aus der Heimat, das motiviert mich. Kurz vor dem Wilden Eber bei km 27 gibt es Energy-Gels, ich muss mir eins nehmen, weil ich ja in der Yorckstraße leer ausgegangen bin. Jetzt habe ich meine schwierigste Phase, ich kann mit Steffen nicht mehr Schritt halten. Er zieht so 20 Meter davon und ich muss drücken und rödeln damit ich wieder ran komme. Mein Blick bohrt sich in sein rotes Trikot. Am Fehrbelliner Platz bei km 32 steht meine Frau mit meinem Getränk, Wasser mit Energy-Gel. Ich zeige Simone den Daumen nach oben. Wir hatten abgemacht, wenn sie dort einen Kuss bekommt, ist eine Bestzeit nicht mehr möglich, Pech gehabt meine liebe Frau! Runter mit dem Zeugs und ich komme wieder ins Rennen zurück. Bei km 34 auf dem Ku´damm habe ich wieder zu Steffen aufgeschlossen. Die Erdinger-Wall bemerke ich nicht, ich bin zu sehr mit mir beschäftigt. Wir kommen zum Verpflegungspunkt bei km 37 in der Potsdamer Straße, Steffen trinkt etwas und wird dann plötzlich langsamer. Er muss abreißen lassen, ich bin total überrascht. Dann zieht einer von hinten wie die Feuerwehr an mir vorbei. Den kenn ich! Ich rufe Raimund, bist du verrückt! Er erkennt mich und sagt „es läuft wieder“ und weg war er. Auf den letzten vier Kilometern hat es ordentlich Wind und leider keinen mehr zum Verstecken, egal drücken und beißen. Ich sehe bei km 40 auf die Garmin, es kann noch auf 2:38 reichen, noch mal alles rausholen. Ich biege in die Straße unter den Linden, da vorne sehe ich die Quadriga. Durchs Brandenburger Tor, noch 400m, die Zuschauer toben, ich sehe die Zieluhr laufen, noch mal schneller laufen, ich balle die Faust und dann das Ziel. Jetzt würgt es mich und ich hänge mich über die Absperrung. Ein Helfer schiebt mich etwas weiter, das sollen die Zuschauer nicht sehen. Ich überquerte die Linie nach 2:38:40 Stunden und komme auf den 145. Rang in der AK Platz 37. Damit stehe ich als 19. Deutscher in Berlin im Ziel, leider geil.
Berlin_Marathon_2Nachdem ich mit Steffen leckeres Erdinger getrunken hatte und bei der Massage war, komme ich wieder zu meinem Handy. Ich rufe meine Frau an und will ihr was von Rennaufgabe erzählen, a Witzle machen. Sie brüllt aber ins Telefon „du Drecksau läufst hier schon wieder Bestzeit“. Mit diesen neumodischen Smartphones kann man halt bei Mikatiming nachsehen. Ich bekomme eine Gänsehaut und kann es selbst noch nicht fassen, sub 2:40 bei meinem 10. Marathonrennen. Berlin, icke liebe Dir!

Die Schwäbische Zeitung -Ausgabe Laupheim- veröffentlichte am 02.10.2012 einen Bericht. Lokalredakteur Sam Schick erhielt seine Informationen aus erster Hand.

www.42komma2.de -Faszination Marathon-

Chicago 2016

Chicago Marathon 2016 (Zeit 2:49:19)

Foto: Isaak Papadopoulos

Zitate


"Warum sollte ich langsam trainieren?
Ich weiß doch, wie das geht. Ich möchte lernen, schnell zu laufen."

Emil Zátopek (mehrfacher Olympiasieger, 1952 über 5.000 und 10.000 Meter sowie Marathon)